Marcus Brühl

Foto: Göran Hajek

Marcus Brühl

wurde 1975 in Siegen geboren und starb am 15. Mai 2015 in Berlin. Studium der Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Anglistik, Sozioligie und Theaterwissenschaften an der Humboldt-Universität und der Freien Universität Berlin. Journalistische, essayistische und fiktionale Beiträge in verschiedenen Zeitschriften und Anthologien. Vier Prosa-Bücher und zwei Gedichtbände. Lebte als Lehrer und Autor in Berlin


Marcus Bruehl was born in Siegen in 1975 and died in Berlin in 2015. Studies of Anglistics, sociology, theater arts and comparative literature studies at the Humboldt-University and the Free University of Berlin. Articles, essays and features in numerous magazines and anthologies. Four prose books and two books of poems. Lived as teacher and author in Berlin.


Texte


In Memoriam Marcus Brühl

Ein Versuch, mit Fassungslosigkeit umzugehen

Warum?
Das alte Monster Tod schlägt zu, unersättlich, blind und ohne Gnade. Das wissen wir ja. Aber warum er, der, wie es aussah, gerade dabei war, wieder einen Weg zu finden zu sich selbst, zu seinen Poesien – warum einen Jungen, wo andere vielleicht verzweifelt um Erlösung vom Erdendasein flehen?
Wir kannten einander seit zwanzig Jahren. Beim Treffen Junger Autoren, wo ich in der Jury saß, kam er Rad schlagend in den Raum, tänzerisch, überströmend vor Lebensfreude, und schockierte den angereisten Bonner Beamten, indem er im Fummel, auf Pumps und die Federboa um den Hals, seinen Preis entgegennahm.
Eine Zeitlang lebten wir sogar unter einem Dach, in freundlicher Symbiose.
Er war verspielt, unordentlich, soff Kaffee wie ein Muselmann, quarzte, was das Zeug hielt, war dem Alkohol ganz und gar nicht abgeneigt.
Wo es aber niemals liederlich zuging, das war, wenn es sich um seine Poesien handelte. Von Anfang an war da die Pranke des Löwen zu spüren.
Diese filigranen Gebilde, meist nur ein paar Zeilen, waren bei aller Zartheit von solcher Stringenz, so genau erdacht und erfühlt, dass es nichts daran zu rütteln gab. Sie waren hauchdünne Spinnweben – und dabei unzerstörbar wie Stahl.
Er schrieb ein Buch, das in der Szene gleich zum Beststeller wurde, er versah seinen unterm Pseudonym Penelope geschriebenen „Tuntenleitfaden“ mit all dem skurrilen Humor, der ihm zur Verfügung stand.
Was noch? Er war freundlich, ein Freund. Liebenswert.
Er sollte uns nicht verlassen müssen.
Vor ein paar Tagen schenkte ich ihm mein jüngstes Buch. Es ist – zunächst – eine Auseinandersetzung mit dem Tod. Er kam nicht mehr dazu, es zu lesen.
Darin heißt es, im direkten Gespräch mit der Naturgewalt: „Niemand kann DICH besiegen. Aber DIR Paroli bieten, indem man gegen das Vergessen angeht.
Erinnern ist Leben.
Dem Unsinn des Vergehens setze ich meinen Trotz entgegen.“
Marcus, wir hätten dich noch gebraucht.

Waldtraut Lewin, 14.05.2015

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